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Bank of Japan: Leichte Anhebung des Renditedeckels hat Folgen für globale Rentenmärkte
22.12.22 12:00
Hamburg Commercial Bank
Hamburg (www.anleihencheck.de) - Die Bank of Japan hat früher als gedacht ihre Politik der Zinsstrukturkontrolle gelockert, so Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank.
Das würden auch die Investoren von Staatsanleihen aus der Eurozone und den USA spüren.
Es gebe drei Arten von wirtschaftlichen Systemen: Kapitalismus, Kommunismus und - Japan. Diesem Spruch, der seit langem unter Volkswirten kursiere, habe Japan im laufenden Jahr wieder alle Ehre gemacht. Während Zentralbanken seit Anfang 2022 nahezu überall auf der Welt ihre Leitzinsen gestrafft hätten und ihre Anleiheankaufprogramme - sofern sie denn existiert hätten - zurückfuhren würden, habe Japan an seiner umstrittenen Politik der Kontrolle der langfristigen Zinsen festgehalten. Jetzt habe die Bank of Japan (BoJ) ihre harte Haltung aufgegeben und ein klein wenig die Zinskontrolle aufgeweicht. In der Folge seien nicht nur in Japan die langfristigen Renditen gestiegen, sondern überall auf der Welt. Für Japan sei dies ein Schritt in Richtung Normalisierung und die Lockerung dieser mit dem Rest der Welt im Widerspruch stehenden Politik baue die aufgebauten Spannungen an den Finanzmärkten ab. Der unerwartete Schwenk berge für Japan und die Weltwirtschaft dennoch auch Risiken.
Die von der Bank of Japan (BoJ) schon seit 2016 verfolgte Politik werde als Yield Curve Control (YCC) bezeichnet. Sie werde umgesetzt, in dem die Notenbank in den Markt durch Anleihekäufe und -verkäufe eingreife, sobald die zehnjährigen Renditen der Staatsanleihen stärker als 0,25 Prozentpunkte von der Zielmarke von 0% abweichen würden. Das Toleranzband sei nunmehr auf 0,5 Pp erhöht worden. Das höre sich nach einer homöopathischen Dosis an, das Entscheidende sei jedoch, dass die BoJ einen Richtungswechsel eingeleitet habe, der an den Finanzmärkten gerne mit dem Stichwort "Pivot" diskutiert werde.
Haruhiko Kuroda, Chef der BoJ, habe in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass die Notenbank bis auf Weiteres an der bisherigen Politik festhalten wolle. Gleichzeitig sei der Druck auf den Notenbankchef gestiegen, diese Politik aufzugeben, denn der Yen habe seit Jahresbeginn zeitweise bis zu 23% an Wert gegenüber dem US-Dollar verloren, und selbst nach der Ankündigung des Politikwechsels stünden immer noch 13% Verlust zubuche. Weiter beklagen Bondhändler, dass der massive Ankauf von Anleihen durch die BoJ - diese halte mittlerweile mehr als die Hälfte aller ausstehenden Anleihen auf ihrer Bilanz - den Bondmarkt ausgetrocknet habe. Gleichzeitig sei die Inflation in Japan mittlerweile auf 3,8% gegenüber dem Vorjahr gestiegen (Oktober). Die Kernrate (ohne Energie und Lebensmittel) habe sich auch von der Zielmarke von 2% abgesetzt und bewege sich bei 2,6% (auch Oktober).
Dennoch habe Kuroda die Märkte auf dem falschen Fuß erwischt, denn bis vor kurzem habe der BoJ-Gouverneur mantramäßig wiederholt, dass eine wichtige Voraussetzung für den Abschied von der YCC ein robustes Lohnwachstum sei, das mit einem Zuwachs von 1,8% YoY im November nicht wirklich überzeuge. Kuroda wiederum argumentiere nunmehr, dass man sich noch nicht von der YCC verabschiedet habe. Formal sei das richtig, aber das kommunikative Bollwerk, mit dem sich die BoJ bislang gegen jegliche Spekulationen aufgelehnt habe, werde nunmehr aufgeweicht. Es könne eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die YCC gänzlich aufgegeben werde. Denn die Investoren würden jetzt wissen: Die BoJ sei bereit, alte Positionen zu räumen. Sie dürften verstärkt auf steigende Renditen setzen und die neue Obergrenze für die Anleiherenditen von 0,5% testen. Wolle die BoJ die Marke von 0,5% halten, müsse sie ein steigendes Volumen an Staatsanleihen ankaufen. Die Mittel dazu habe sie, denn die Nationalbank Japans könne per Knopfdruck die dafür erforderlichen Yen schöpfen. Aber ganz rasch sei die BoJ dann in der gleichen Situation ausgetrockneter Bondmärkte, die sie gerade erst dazu veranlasst habe, die YCC-Politik aufzuweichen. Kurodas Amtszeit gehe im April 2023 zu Ende. Länger werde die BoJ ihre neue YCC in der jetzigen Form vermutlich nicht durchhalten. Dann sollten die Renditen in Japan kräftig steigen.
Und dies könne Rückwirkungen für die globalen Bondmärkte haben. Der Anteil internationaler Investoren am japanischen Markt für Staatsanleihen liege zwar nur bei rund 14% (Juni 2022), aber bei einem deutlichen Anstieg der Renditen in Japan könne sich dies durchaus auch auf Bondmärkte in der Eurozone und den USA auswirken. Denn die relative Attraktivität von japanischen Anleihen steige, je höher die Renditen dort seien, was zu Abzügen aus T-Notes und Bunds führen könne. Vermutlich gehe es in Bezug auf die möglichen Renditeeffekte um Größenordnungen, die eher im Bereich von 50 als von 100 Basispunkten lägen, aber eben auch nicht zu vernachlässigen seien. Tatsächlich seien die zehnjährigen Bundrenditen nach dem Pivot in Japan um rund 15 BP gestiegen, die T-Notes mit dieser Laufzeit hätten eine ähnliche Bewegung vollzogen.
Im Jahr 2023 könnten Japans Bondmärkte anfangen, sich in die Reihe der "normalen" Anleihemärkte einzureihen. Die langfristigen japanischen Renditen sollten steigen und dies sollte den von der Hamburg Commercial Bank ohnehin erwarteten Anstieg der Renditen in den USA und der Eurozone unterstützen. Inwieweit dies zu Turbulenzen an den Bondmärkten führe, hänge von dem Kommunikationsgeschick von Kuroda bzw. seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin ab. Schockartige Renditenbewegungen würden stets das Risiko bergen, dass einige Großinvestoren in Bedrängnis geraten würden, dies könnte auch hierzulande zu spüren sein.
Auch wenn sich Japans Anleihemärkte normalisieren sollten: Japan bleibe Japan, denn zum Glück werde die Welt nicht nur durch die Bondmärkte abgebildet. (Wochenbarometer vom 22.12.2022) (22.12.2022/alc/a/a)
Das würden auch die Investoren von Staatsanleihen aus der Eurozone und den USA spüren.
Es gebe drei Arten von wirtschaftlichen Systemen: Kapitalismus, Kommunismus und - Japan. Diesem Spruch, der seit langem unter Volkswirten kursiere, habe Japan im laufenden Jahr wieder alle Ehre gemacht. Während Zentralbanken seit Anfang 2022 nahezu überall auf der Welt ihre Leitzinsen gestrafft hätten und ihre Anleiheankaufprogramme - sofern sie denn existiert hätten - zurückfuhren würden, habe Japan an seiner umstrittenen Politik der Kontrolle der langfristigen Zinsen festgehalten. Jetzt habe die Bank of Japan (BoJ) ihre harte Haltung aufgegeben und ein klein wenig die Zinskontrolle aufgeweicht. In der Folge seien nicht nur in Japan die langfristigen Renditen gestiegen, sondern überall auf der Welt. Für Japan sei dies ein Schritt in Richtung Normalisierung und die Lockerung dieser mit dem Rest der Welt im Widerspruch stehenden Politik baue die aufgebauten Spannungen an den Finanzmärkten ab. Der unerwartete Schwenk berge für Japan und die Weltwirtschaft dennoch auch Risiken.
Die von der Bank of Japan (BoJ) schon seit 2016 verfolgte Politik werde als Yield Curve Control (YCC) bezeichnet. Sie werde umgesetzt, in dem die Notenbank in den Markt durch Anleihekäufe und -verkäufe eingreife, sobald die zehnjährigen Renditen der Staatsanleihen stärker als 0,25 Prozentpunkte von der Zielmarke von 0% abweichen würden. Das Toleranzband sei nunmehr auf 0,5 Pp erhöht worden. Das höre sich nach einer homöopathischen Dosis an, das Entscheidende sei jedoch, dass die BoJ einen Richtungswechsel eingeleitet habe, der an den Finanzmärkten gerne mit dem Stichwort "Pivot" diskutiert werde.
Dennoch habe Kuroda die Märkte auf dem falschen Fuß erwischt, denn bis vor kurzem habe der BoJ-Gouverneur mantramäßig wiederholt, dass eine wichtige Voraussetzung für den Abschied von der YCC ein robustes Lohnwachstum sei, das mit einem Zuwachs von 1,8% YoY im November nicht wirklich überzeuge. Kuroda wiederum argumentiere nunmehr, dass man sich noch nicht von der YCC verabschiedet habe. Formal sei das richtig, aber das kommunikative Bollwerk, mit dem sich die BoJ bislang gegen jegliche Spekulationen aufgelehnt habe, werde nunmehr aufgeweicht. Es könne eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die YCC gänzlich aufgegeben werde. Denn die Investoren würden jetzt wissen: Die BoJ sei bereit, alte Positionen zu räumen. Sie dürften verstärkt auf steigende Renditen setzen und die neue Obergrenze für die Anleiherenditen von 0,5% testen. Wolle die BoJ die Marke von 0,5% halten, müsse sie ein steigendes Volumen an Staatsanleihen ankaufen. Die Mittel dazu habe sie, denn die Nationalbank Japans könne per Knopfdruck die dafür erforderlichen Yen schöpfen. Aber ganz rasch sei die BoJ dann in der gleichen Situation ausgetrockneter Bondmärkte, die sie gerade erst dazu veranlasst habe, die YCC-Politik aufzuweichen. Kurodas Amtszeit gehe im April 2023 zu Ende. Länger werde die BoJ ihre neue YCC in der jetzigen Form vermutlich nicht durchhalten. Dann sollten die Renditen in Japan kräftig steigen.
Und dies könne Rückwirkungen für die globalen Bondmärkte haben. Der Anteil internationaler Investoren am japanischen Markt für Staatsanleihen liege zwar nur bei rund 14% (Juni 2022), aber bei einem deutlichen Anstieg der Renditen in Japan könne sich dies durchaus auch auf Bondmärkte in der Eurozone und den USA auswirken. Denn die relative Attraktivität von japanischen Anleihen steige, je höher die Renditen dort seien, was zu Abzügen aus T-Notes und Bunds führen könne. Vermutlich gehe es in Bezug auf die möglichen Renditeeffekte um Größenordnungen, die eher im Bereich von 50 als von 100 Basispunkten lägen, aber eben auch nicht zu vernachlässigen seien. Tatsächlich seien die zehnjährigen Bundrenditen nach dem Pivot in Japan um rund 15 BP gestiegen, die T-Notes mit dieser Laufzeit hätten eine ähnliche Bewegung vollzogen.
Im Jahr 2023 könnten Japans Bondmärkte anfangen, sich in die Reihe der "normalen" Anleihemärkte einzureihen. Die langfristigen japanischen Renditen sollten steigen und dies sollte den von der Hamburg Commercial Bank ohnehin erwarteten Anstieg der Renditen in den USA und der Eurozone unterstützen. Inwieweit dies zu Turbulenzen an den Bondmärkten führe, hänge von dem Kommunikationsgeschick von Kuroda bzw. seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin ab. Schockartige Renditenbewegungen würden stets das Risiko bergen, dass einige Großinvestoren in Bedrängnis geraten würden, dies könnte auch hierzulande zu spüren sein.
Auch wenn sich Japans Anleihemärkte normalisieren sollten: Japan bleibe Japan, denn zum Glück werde die Welt nicht nur durch die Bondmärkte abgebildet. (Wochenbarometer vom 22.12.2022) (22.12.2022/alc/a/a)