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Mit IG-Corporates durch die holprige Endphase des Zyklus


03.03.23 10:15
Fisch Asset Management

Zürich (www.anleihencheck.de) - Marktteilnehmer sollten sich anschnallen und auf weitere Turbulenzen einstellen, so Maria Stäheli, Senior Portfolio Managerin bei Fisch Asset Management.

Seit dem Zwischentief im Oktober hätten sie deutlich von der Erholungsphase im Spätherbst und Winter profitiert, da sich das Stagflationsgespenst zumindest kurzzeitig in Luft aufgelöst habe. Ausgelöst worden sei dieser Stimmungswechsel durch die positive Kombination aus mildem Wetter in Europa, das eine Energiekrise verhindert habe, und dem Ende von Chinas Zero-Covid-Policy, was die Wachstumsaussichten in Europa beflügelt habe. Außerdem hätten die Inflationsdaten im vierten Quartal darauf hingedeutet, dass die Zentralbanken die Oberhand im Kampf um Preisstabilität behalten würden. Seit Februar habe sich die Marktstimmung jedoch abrupt abgekühlt, denn die jüngsten Veröffentlichungen würden eine Preisentwicklung zeigen, die immer noch zu stark sei. Der überhitzte Arbeitsmarkt wie auch der felsenfeste Konsum würden den Zentralbanken den ökonomischen Puffer für eine noch stärkere Straffung der Geldpolitik liefern.

Dabei sei schon die bisherige Straffung in rekordverdächtigem Tempo vollzogen worden. Die kumulative Erhöhung der US-Zinsen um 4,5 Prozentpunkte innerhalb eines Jahres seien bittere Medizin, nicht nur für die Inflation, sondern auch für die Märkte. Aber bei jeder Therapie dauere es, bis sie wirke. Die Inflationsdaten für den Januar, die im Februar veröffentlicht worden seien, hätten die Erwartungen so klar übertroffen, dass sich die Frage aufdränge, ob die Geldpolitik nicht immer noch deutlich zu locker sei. "Lange und variable Verzögerungen" bei der Wirkung der Geld- und Fiskalpolitik würden die Komplexität für die Entscheidungsträger massiv erhöhen. Zudem hätten viele der im Februar veröffentlichten Daten technische Anpassungen wie etwa saisonale Adjustierungen enthalten, die das ihre zur Überraschung beigetragen hätten. Es sei daher besonders wichtig, das große Bild nicht aus den Augen zu verlieren. Das Ende des Zyklus sei holprig, aber es sei auch chancenreich.

Das Eingehen höherer Risiken habe sich im Goldilocks-Szenario der letzten Monate ausgezahlt: Segmente mit vergleichsweise hoher Risikosensitivität wie Emerging Markets und High Yield (HY), aber auch zyklische Sektoren hätten eine deutliche Outperformance geliefert. Diese Phase des "leicht verdienten Geldes" gehe zu Ende, weil die Volatilität aufgrund der Unsicherheit hinsichtlich der Geldpolitik wieder zunehme. Wenn bei einem Patienten die verordnete Medizin noch nicht voll angeschlagen habe und daher weiterhin verabreicht werde, würden ernsthafte Risiken drohen. Auf die Marktsituation bezogen könnte eine solche "Überstraffung" zu einem Käuferstreik bei riskanteren Anlagen führen. Gleichzeitig dürfte das Interesse an eher sicheren beziehungsweise defensiven Anlageformen zunehmen und Qualität wieder im Vordergrund stehen. Insbesondere vor dem Hintergrund einer erwarteten Rezession oder zumindest einer weiteren deutlichen Konjunktureintrübung sähen die Experten klare Vorteile bei Investment-Grade-Emittenten gegenüber ihren HY-Pendants.

Denn HY-Emittenten würden empfindlicher auf wirtschaftlichen Stress als IG-Emittenten reagieren, weil ihre Gewinnmargen einen schwächeren Puffer gegen steigenden Kostendruck bieten würden und weil die Ausfallrisiken zunehmen würden. Die Risikoprämien seien im HY-Bereich durch die Bärenmarkt-Rally der letzten Monate so tief gesunken, dass ein Wechsel ins qualitativ besser gestellte IG-Segment zu verhältnismäßig tiefen Opportunitätskosten vollzogen werden könne. Dazu komme, dass viele Großinvestoren wie Pensionskassen und Lebensversicherungen aufgrund der jahrelang extrem tiefen Renditen im IG-Segment noch immer untergewichtet seien, was dem Markt technische Unterstützung bieten dürfte.

Aufgrund der invertierten Zinskurve würden die Experten eine zunehmende Nachfrage nach Anleihen mit kurzer bis mittlerer Laufzeit erwarten. Natürlich dränge sich die Frage auf, ob Geldmarktprodukte aktuell nicht die attraktivere Option seien. Auf einen Horizont von wenigen Monaten dürften diese Papiere durchaus eine Berechtigung im Portfolio haben. Allerdings würden sich langfristig orientierte Investoren mit dieser Strategie einem Wiederanlagerisiko aussetzen und würden kaum davon profitieren, wenn die Überstraffung zu tieferen Zinsen bei mittleren Laufzeiten führe.

Hinsichtlich der Kombination aus Anleihenwährung und Emittenten würden die Experten derzeit noch EUR- gegenüber USD-Anleihen bevorzugen, da hier die erzielbaren Renditen nach Währungsabsicherungskosten höher seien. Als Sweet Spot würden die Experten EUR-Anleihen von US-amerikanischen Schuldnern (so genannte Reverse Yankees) identifizieren, denn hier finde man aktuell "as Beste aus beiden Welten" - solide Fundamentalentwicklung und gleichzeitig günstige Risikoprämien.

Seit dem vierten Quartal finde hier aber sukzessive eine Verschiebung statt: zum einen hätten sich EUR-Anleihen in den letzten Monaten stärker erholt, was den Renditevorsprung habe schrumpfen lassen. Zum anderen würden die USD-Währungsabsicherungskosten für Investoren im Euroraum deutlich zurückgehen (auf Forwards basierende Absicherungskosten seien von 3,2% im Oktober auf 2,1% per Ende Februar gesunken). Der Grund für diese Entwicklung sei die Annäherung der Geldpolitik der FED und EZB. Die Experten würden erwarten, dass die EUR-Staatsanleihenkurve noch deutlich inverser werde, da die EZB im Kampf gegen die Inflation ihre Zinspolitik ihres Erachtens noch aggressiver straffen müsse. Dies dürfte die USD-Absicherungskosten weiter senken, was den Renditevorteil von Euro-Anleihen im Vergleich zu USD-Anleihen innerhalb weniger Monate dahinschmelzen lassen könnte und schlussendlich zu Preisdruck auf EUR-Anleihen führen könnte. Diese Entwicklung sollte genau im Auge behalten werden, um die Portfoliopositionierung sukzessive an die veränderte Realität anzupassen.

Auch auf längere Sicht sähen die Experten Potenzial für eine attraktive Wertentwicklung bei IG-Corporates. Auch wenn uns in den nächsten Monaten einiges an Zinsvolatilität erhalten bleibt, glauben wir an die Wirkung der geldpolitischen Straffung, die sich bereits jetzt in den vorausschauenden Indikatoren und den Firmenergebnissen niederschlägt, so die Experten von Fisch Asset Management. Die Experten würden daher im zweiten Halbjahr eine stärkere Abschwächung erwarten, sodass die Straffungsphilosophie überdacht werden müsse. Hochqualitative Anleihen dürften dann von sinkenden Zinsen profitieren, während tiefere Qualitäten zu diesem Zeitpunkt noch unter Verkaufsdruck aufgrund der fundamentalen Risiken stehen dürften. Somit sollte es sich lohnen, die Turbulenzen mit einer Positionierung durchzustehen, die sowohl eine angemessene Federung als auch Erholungspotenzial biete. (03.03.2023/alc/a/a)