Erweiterte Funktionen

Wer über den Nebel hinwegschaut, erhascht einen Blick in eine unangenehme Zukunft


17.03.23 12:15
Barings

Boston (www.anleihencheck.de) - Die Zinserhöhung der EZB um 0,5 Prozentpunkte und die Pressekonferenz am 16. März 2023 waren ein Nicht-Ereignis. In der derzeitigen angespannten Marktsituation ist dies ein Erfolg, so Matteo Cominetta, Chefvolkswirt am Barings Investment Institute.

Die Absage der am deutlichsten angekündigten 0,5-prozentigen Anhebung in der Geschichte der EZB hätte Angst seitens der Zentralbank vermittelt. Ihre Durchführung bei gleichzeitiger Betonung der Solidität des europäischen Bankensektors habe hingegen eine beruhigende Wirkung gehabt. Ein Beweis dafür sei, dass die Kurse von Staatsanleihen und Aktien des Euroraums stärker von Nachrichten zur Credit Suisse und einer angeschlagenen US-Regionalbank beeinflusst worden seien als von irgendwelchen Sprüchen aus Frankfurt. Keine Nachrichten seien gute Nachrichten.

Blicke man jedoch über den aktuellen Nebel der Spannungen im Bankensektor hinaus, könne man einen Blick in eine unangenehme Zukunft erhaschen. Der letzte Monat habe der EZB weitere Gründe geliefert, die Zinsen zu erhöhen und sie länger hoch zu halten. Die Wirtschaftstätigkeit habe positiv überrascht und die Kerninflation sei höher ausgefallen als erwartet. Zudem habe die EZB ihre Erwartungen für die Kerninflation im Jahr 2023 erneut angehoben, und zwar von 4,3 Prozent auf 4,6 Prozent. Auch die Wachstumsprognose für dieses Jahr sei auf 1 Prozent angehoben worden. Eine Rezession sei vollständig ausgeschlossen worden.

Wer glaube, dass sich die Bankenprobleme nicht zu Schlimmerem für Europa entwickeln würden, müsse sich darauf einstellen, dass die Zinssätze der EZB deutlich über dem liegen würden, was die Märkte derzeit einpreisen würden. Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde habe erklärt, dass die Projektionen vor dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank erstellt worden seien, sodass sie mit erheblicher Unsicherheit behaftet seien.

Bezeichnenderweise habe sie auch gesagt, dass - sollten sich die Basisprojektionen bewahrheiten - noch viel zu tun sei, um die Inflation wieder auf ein wünschenswertes Niveau zu bringen. Dies bedeute, dass eine letzte Anhebung um 0,25 Prozentpunkte wahrscheinlich nicht ausreichen werde, um dieses Ziel zu erreichen. Da die Märkte derzeit nur das erwarten würden, scheine die Zukunft entweder eine Bankenkrise oder einen großen Schock für die EZB-Zinsen bereitzuhalten. Beides ziemlich unangenehm. (Ausgabe vom 16.03.2023) (17.03.2023/alc/a/a)