Erweiterte Funktionen

Rentenmärkte: Deal in Washington lässt aufatmen


01.06.23 15:00
Hamburg Commercial Bank

Hamburg (www.anleihencheck.de) - Man kann den jüngsten Tauchgang der Renditen auf Staatsanleihen in den USA und Deutschland als Zeichen der Erleichterung der Investoren über die Einigung im US-Schuldenstreit sehen, so die Analysten der Hamburg Commercial Bank.

Verstärkt werde die Absenkung der Renditen zusätzlich durch die konjunkturellen Probleme aus Europa und China. Zehnjährige Staatsanleihen in den USA seien daraufhin stark gesunken und würden aktuell bei einem Wert von 3,66% und die in Deutschland bei 2,30% rentieren.

Der Einigung zwischen Präsident Joe Biden und dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy habe die ganze Welt entgegengefiebert, nun hätten beide Seiten übereinstimmend mitgeteilt, dass die Schuldenobergrenze (debt ceiling) von derzeit 31,4 Billionen Dollar bis Januar 2025 ausgesetzt werde. Gleichzeitig sollten aber die Ausgaben für sämtliche Bereiche mit Ausnahme des Militärs und der Veteranen begrenzt werden. Im Gegenzug werde die Regierung wohl ungenutzte Corona-Fonds umwidmen dürfen.

Trotz der Einigung auf reichhaltige finanzielle Ressourcen für den Treasury werde die Ressource Zeit weiterhin knapp bleiben. Die US-Finanzministerin sei in letzter Zeit nicht müde geworden zu betonen, dass die weit unter 100 Mrd. US-Dollar geschrumpften Cash-Reserven die USA maximal noch bis zum 5. Juni solvent halten dürften. Nach der erwartbar geglückten Zustimmung zum Deal des republikanisch dominierten US-Repräsentantenhaus dürfte die Zustimmung des demokratisch dominierten US-Senats wohl keine ernstzunehmende Hürde darstellen. Spannend für die Anleger werde hingegen sein, ob die USA bei der Ratingagentur Fitch ihre AAA Bewertung beibehalten würden.

Beunruhigend seien die Meldungen aus Fernost. China, die zweitgrößte Ökonomie der Welt, könne die Erwartungen der globalen Märkte mit dem Pandemie-Rebound als Wachstumslokomotive, die die konjunkturelle Schwäche in Europa wettmache, nicht erfüllen. Besorgniserregend sei da im besonderen Maße die Industrie, die laut des Einkaufsmanagerindex PMI von April auf Mai um 0,4 Punkte auf 48,4 gefallen sei. Der PMI sei damit auf den niedrigsten Stand seit fünf Monaten abgerutscht und erneut unter der 50-Punkte-Marke geblieben, die Expansion von Kontraktion trenne. Chinas gedämpfte wirtschaftliche Erholung und Pekings Zögern, groß angelegte Konjunkturmaßnahmen zu ergreifen, würden sich auf die ganze Welt auswirken und die Rohstoffpreise drücken.

Deutschland als weitere Wachstumslokomotive schwächele ebenfalls. Viele Anleger habe die Revision der BIP-Quartalszahlen für die ersten drei Monate dieses Jahres wie ein Schlag getroffen. Das Statistische Bundesamt habe damit seine ursprüngliche Schätzung von Ende April, die noch eine Stagnation (0,0 %) ergeben habe, auf -0,3% revidiert. Bei zwei Quartalen mit negativem Wachstum in Folge werde von einer technischen Rezession gesprochen. Im vierten Quartal 2022 sei die Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent gesunken.

Die deutsche Wirtschaft werde momentan vor allem durch sinkende Konsumausgaben der inflationsgeplagten Verbraucher geschwächt. Zwar sei die Situation im übrigen Europa laut offizieller Statistiken wesentlich positiver, aber die EU-Kommission stelle in ihrer aktuellen Veröffentlichung zur Einschätzung des Wirtschaftsvertrauens eine Verschlechterung fest. Der Rückgang um 2,5 Indexpunkte auf einen Wert von 96,5 Punkten im Mai sei bedeutsam, denn das "Economic Sentiment" entferne sich damit weiter vom langjährigen Durchschnitt von 100 Punkten.

Erfreulich für die Konsumenten sei hingegen die Veröffentlichung der Inflationszahlen in den vier großen Eurostaaten gewesen. In allen Ländern habe sich die Verteuerung spürbar verlangsamt. Bis auf in Italien sei die Inflation sogar schwächer als von Analysten angenommen ausgefallen. Sorgen bereite die Währungshüter in Europa ausdrücklich die Kerninflationsrate, welche sich nicht so einfach drücken lasse.

Damit würden wohl, vor allem wegen der widerspenstigen Kerninflation, in Frankfurt am Hauptsitz der EZB die Weichen für eine Zinsanhebung im Juni-Meeting gestellt. Diese Sichtweise teile ebenfalls der niederländische Notenbankchef Klaas Knot, der im Kampf gegen die Inflation die Zinsen noch mindestens zwei Mal um je einen viertel Prozentpunkt angehoben sehen wolle.

Die Lage in den USA hingegen sei komplizierter. Tatsächlich sei die Gesamtinflation mit 4,9% im April wesentlich geringer als in Europa, aber auch die US-Amerikaner würden mit einer hartnäckigen Kerninflation kämpfen. Daher gebe es schon eine Gruppe von Vertretern in der FED, die eine Anhebung der Leitzinsen im Juni fordern würden. Aus den kürzlich veröffentlichten FOMC-Sitzungsprotokoll wisse man, dass wiederum eine andere Gruppe die Risiken, die von einer möglichen Verschärfung der Regionalbankenkrise in den USA ausgehen würden, als Anlass sehen würden, zumindest temporär den Zinsanhebungszyklus zu pausieren.

Die, hinsichtlich der Zinsentscheidung, gespaltenen FED-Mitglieder dürften für ihr Meeting Mitte Juni besonders auf die Arbeitsmarktdaten (02.06.) und den US-Einkaufsmanagerindex ISM für den Dienstleistungssektor (05.06.). Die EZB, die ebenfalls Mitte Juni tage, werde sich wohl die Industriedaten intensiv anschauen, die im Laufe der Woche für die vier großen Euro-Länder (02.06. bis 07.06.) veröffentlicht würden. (01.06.2023/alc/a/a)