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FED-Entscheidung: Das Spannungsfeld bleibt bestehen


03.02.23 11:45
Janus Henderson Investors

London (www.anleihencheck.de) - Der jüngste Schlagabtausch im anhaltenden Spannungsfeld zwischen den Finanzmärkten und der Federal Reserve (FED) fand am 1. Februar statt, als letztere ihre hawkische Haltung erneut bekräftigte, so Jason England, Portfolio Manager bei Janus Henderson Investors.

Dies habe im Großen und Ganzen dem Muster von Ende 2022 entsprochen: Eine Rally bei Anleihen und risikoreicheren Vermögenswerten, die von einem Einlenken der FED ausgegangen sei, sei nur kurz von der hawkischen Aussage der FED im Dezember unterbrochen worden. Sollte der Markt die Entschlossenheit der FED erneut ignorieren oder falsch interpretieren, könnten sich die Anleger nach Meinung der Experten nach auf eine unvermeidliche - und möglicherweise bittere - Erkenntnis einstellen.

Die Zinserhöhung um 25 Basispunkte (bps) auf der letzten Sitzung sei bereits in den Kursen eingepreist gewesen. Was der Markt nur schwer verarbeiten könne, sei die Tatsache, dass die FED in ihrer Erklärung weiterhin die Formulierung "weitere Zinserhöhungen werden angemessen sein" verwende. Es bleibt offen, wie lange der Leitzins auf seinem Höchststand bleiben wird, wenn wir ihn einmal erreicht haben, so die Experten von Janus Henderson Investors.

Auf ihrer Dezembersitzung habe die Dots-Erhebung der FED darauf hingedeutet, dass die Obergrenze des Tagesgeldsatzes Ende 2023 bei 5,25% liegen würde. Das entspreche zwei weiteren möglichen Erhöhungen um 25 Basispunkte. Sowohl die FED als auch der Markt würden davon ausgehen, dass weitere Anhebungen eher früher als später erfolgen würden. Der Futures-Markt gehe jedoch davon aus, dass der Leitzins im Juli einen Höchststand von etwa 5,00% erreichen werde, bevor er bis zum Jahresende auf 4,50% falle. Das sei eine ziemliche Diskrepanz, die nach Erachten der Experten ein recht gefährliches Glücksspiel darstelle.

Die Diskrepanz zwischen der von der FED für 2023 erwarteten Zinsentwicklung und den Markterwartungen habe sich angesichts des zunehmenden Optimismus der Anleger und der hawkischen Haltung der Zentralbanker noch verstärkt.

Die unterschiedlichen Erwartungen an den künftigen Kurs der Geldpolitik hätten ihre Wurzeln in fast diametral entgegengesetzten Zielen der FED und der Märkte. Der Vorsitzende Jerome Powell und sein Team möchten drei miteinander verflochtene Ziele erreichen: Weitere Fortschritte bei der Senkung der jährlichen Kerninflation von 4,4% auf das Ziel von 2,0%, Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit, die die FED durch ihre Rettungsaktionen bei jedem Anstieg der Marktvolatilität verspielt habe, und schließlich Vermeidung des Arthur-Burns-Wegs, der bedeute, dass man zucke, bevor die Inflation unter Kontrolle sei, und damit die Erwartung ständig steigender Preise in der gesamten Wirtschaft verankere. Der Markt hingegen wolle billige Kapitalkosten, damit er eine relativ fremdfinanzierte Gewinnmaschine am Laufen halten könne.

Die Makroökonomie sei schwierig vorherzusagen, aber genau das sei die Aufgabe der Zentralbanker und der zukunftsorientierten Märkte. Die Entwicklung der Wirtschaft im aktuellen Umfeld zu bestimmen, sei besonders schwierig, da die Welt mit Inflation, Lieferunterbrechungen, geopolitischen Konflikten und dem Auslaufen der akkommodierenden Geldpolitik der Pandemiezeit zu kämpfen habe. Dennoch gebe es einige Faktoren, die die künftige Entwicklung der US-Wirtschaft sicherlich beeinflussen würden: Der Arbeitsmarkt sei nach wie vor angespannt, und damit die Inflation weiter zurückgehe, müsse der Druck auf die Löhne nachlassen. Das sei für die Arbeitnehmer ein schwieriges Thema, da die inflationsbereinigten Lohnsteigerungen im Jahresvergleich kaum im positiven Bereich liegen würden.

Angesichts kaum positiver inflationsbereinigter Lohnzuwächse würden die Arbeitnehmer in den USA wahrscheinlich höhere Löhne fordern, solange der Arbeitsmarkt angespannt bleibe.

In einer Dienstleistungswirtschaft wie den USA, in der Löhne ein wesentlicher Treiber der Gesamtinflation sein könnten, sei die Mechanik eines Preisrückgangs recht simpel: Höhere Kapitalkosten würden sowohl die Unternehmensinvestitionen als auch den privaten Konsum belasten, niedrigere Unternehmenserträge würden auf die Gewinnspannen und das mögliche Gewinnwachstum drücken, und die Geschäftsführung müsse dann auf Entlassungen zurückgreifen, um die Gewinne zu sichern und das Unternehmen in einer sich abschwächenden Wirtschaft "richtig zu skalieren". Es liege auf der Hand, warum viele Beteiligte ein solches Szenario nicht gut finden würden. Aber um ihre Glaubwürdigkeit zu wahren und ein noch schlimmeres Los zu verhindern, habe sich die FED selbst wenig Spielraum gelassen.

Das Ende dieser Geschichte sei noch nicht absehbar. In dieser Ungewissheit sei ein Wort der Vorsicht für Anleger enthalten: Je weiter die Erwartungen der FED und des Marktes auseinandergehen würden, desto größer sei das Risiko, dass jemand ins Abseits gerate. Die Experten würden davon ausgehen, dass sich die Zinsmärkte - und andere Anlageklassen - in den kommenden Monaten in einer gewissen Bandbreite bewegen würden. Sobald sich die tatsächliche Entwicklung der Wirtschaft abzeichne, würde es die Experten ein Anstieg der Volatilität nicht überraschen, weil sich der Markt auf eine noch unbestimmte Realität einstelle.

Angesichts des angespannten Arbeitsmarktes in den USA seien die Experten der Ansicht, dass die FED zur Eindämmung der Inflation mehr tun müsse, als der Markt erwarte. Wie sie bereits in der Vergangenheit festgestellt hätten, sei eine Pause nicht gleichbedeutend mit einem Kurswechsel. Eine zweite Anhebung um 25 Basispunkte in Folge signalisiert zwar, dass wir uns dem Ende des Zinserhöhungszyklus nähern, aber noch ist es nicht soweit, so die Experten von Janus Henderson Investors. Dies werde - wie bei der FED von Powell üblich - durch die Daten entschieden werden.

Dementsprechend würden die "Tauben" am Markt ihre Erwartungen wahrscheinlich anpassen müssen. Sollten die Zinssätze den aggressiven Kurs der FED beibehalten, würden die Experten erwarten, dass die Renditen der am stärksten von der FED-Politik beeinflussten US-Treasuries mit kürzester Laufzeit ansteigen würden, um einen Höchststand der Fed Funds Rate von über 5,0% einzukalkulieren. In einem solchen Fall würden die Renditen längerfristiger Anleihen wahrscheinlich sinken, da die Anleger eine noch deutlichere Konjunkturabschwächung einpreisen würden. Sollte dieses Szenario eintreten, könnten Anleiheinvestoren nach Meinung der Experten die Duration ihres Portfolios erhöhen, um Kapitalzuwächse zu erzielen.

Auch hier sind wir noch nicht am Ziel, so die Experten von Janus Henderson Investors. Aber da die Renditen wieder auf ein wesentlich höheres Niveau gestiegen seien, könnten es sich die Anleger nach Meinung der Experten erlauben, geduldig zu sein und Erträge zu erzielen, die bei Wertpapieren mit kürzerer Laufzeit noch vor einem Jahr unvorstellbar gewesen seien. Die ausgeprägte Inversion der Zinsstrukturkurve - die Rendite der 2-jährigen US-Treasuries liege etwa 70 Basispunkte über der der 10-jährigen - untermauere die Einschätzung, dass die Zeit für eine Verlängerung der Duration noch nicht gekommen sei.

Da die Renditen von Wertpapieren mit kürzerer Laufzeit deutlich höher seien als vor einem Jahr, hätten Anleger die Möglichkeit, attraktive Einkommensströme zu erzielen, während sie auf Klarheit über die längerfristige Zinsentwicklung warten würden.

Sollte der Markt jedoch Recht behalten und die FED zucken, bevor die Inflation unter Kontrolle sei, drohe den Anlegern ein lang anhaltendes Umfeld mit hohen Preisen, das die Renditen bei mittleren und längeren Laufzeiten deutlich über ihre derzeitige Spanne ansteigen lassen würde. Solange dieses potenzielle Ergebnis nicht ausgeschlossen ist, möchten die Experten von Janus Henderson Investors Anleger davor warnen, sich zu stark an der Zinsstrukturkurve zu orientieren. (03.02.2023/alc/a/a)