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Rentenmarkt: Rezession abgeblasen?


16.02.23 16:30
Hamburg Commercial Bank

Hamburg (www.anleihencheck.de) - Die Renditen der Staatsanleihen sind auch in den vergangenen Tagen kräftig im Aufwind geblieben, so Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt bei der Hamburg Commercial Bank.

Zuletzt hätten sie einen Schub von Seiten der US-Inflationszahlen erhalten, die weniger stark gefallen seien, als man sich das eigentlich erhofft habe. Wenngleich es durchaus Hinweise darauf gebe, dass das Ergebnis mit statistisch-technischen Effekten zu tun habe (Anpassung der Saisonbereinigung und neue Gewichte im Warenkorb), würden sich bei vielen Anlegern doch Zweifel bemerkbar machen, ob die bisherige Story "die Inflation wird sich in wenigen Monaten normalisieren und dann wird die FED mit Leitzinssenkungen beginnen" zu halten sei. Die Analysten würden an dieser Geschichte ohnehin einige Zweifel hegen, was aber vor allem mit dem immer noch sehr engen Arbeitsmarkt zu tun habe.

Zehnjährige T-Notes würden jetzt bei bereits bei 3,78% und die Pendants aus den Deutschland bei 2,47% rentieren. Einher gehe dies mit einer erhöhten Markterwartung hinsichtlich der nächsten Zinsschritte. So werde in den USA nunmehr eine "terminal" rate von 5,25% erwartet, ein deutlicher Sprung von den 5,10% der vergangenen Woche. Für den Einlagenzins der EZB seien die Anleger gemäß Markteinschätzung nun auch eher der Meinung, dass dieser bis 3,50% bis 3,75% steigen könnte. Auch dieser Wert sei etwas gestiegen. Zu dem Renditenanstieg beigetragen hätten außerdem die erstaunlich guten Einzelhandelsumsätze aus den USA, die im Januar um 3,0% gegenüber dem Vormonat zugelegt hätten (6,4% YoY). Damit würden bislang alle diejenigen Lügen gestraft, die davon ausgegangen seien, dass die Spendierlaune der Amerikaner allmählich abnehme, weil die in der Pandemie aufgebauten Überschussersparnisse relativ kräftig abgeschmolzen seien.
In den USA werde man allmählich wegen der Nicht-Anhebung der Schuldengrenze nervös. Im Juli könnte es soweit sein, dass die USA ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen könnten, wenn die Schuldengrenze bis dahin nicht angehoben werde. Davor warne jetzt das Congressional Budget Office. Bislang vermeide das Treasury durch spezielle Bilanzierungsmanöver das Reißen der Schuldengrenze. Die Republikaner würden nach eigenem Bekunden einer Anhebung der Schuldengrenze nur zustimmen, wenn die Regierung Ausgabenkürzungen beschließe. Unser Basisszenario ist bislang noch, dass in den nächsten Monaten ein Kompromiss gefunden wird, so die Analysten der Hamburg Commercial Bank. Je näher der kritische Zeitpunkt komme, desto stärker könnte sich dies jedoch in einer erhöhten Volatilität der Treasury-Märkte niederschlagen.

Gestern habe EZB-Präsidentin Christine Lagarde vor dem Europäischen Parlament gesprochen. Dort hätten Parlamentarier gefordert, die Zinserhöhungen zu drosseln, um die Wirtschaft zu schützen. Lagarde habe sich vor politischer Einmischung verwahrt und noch mal betont, dass man bei der nächsten Sitzung am 16. März mit einem erneuten Anstieg der Leitzinsen um 50 BP rechnen müsse.

Derweil hätten Banken aus der Eurozone weiterhin Liquiditätsbedarf, wie aus der zögerlichen Rückgabe von TLTRO-Krediten in der Größenordnung von 35 Mrd. Euro letzte Woche bekannt gegeben worden sei.

In den kommenden Tagen sei aus geopolitischer Sicht auf die Münchener Sicherheitskonferenz zu achten (17.- 19.02.). Am Montag (20.02.) sei in den USA President's Day, so dass dort an den Börsen mit einem geringeren Handelsvolumen zu rechnen sei. In Deutschland finde die zweite Lohnrunde im öffentlichen Dienst für die Beschäftigten von Kommunen und Bund statt.

Datenseitig sei nächste Woche auf die Schnellschätzungen der PMI-Einkaufsmanagerindices für den laufenden Monat zu achten (unter anderem Eurozone, Frankreich und Deutschland, 21.02.). Der PMI für die Eurozone steige bereits seit drei Monaten und könnte Zuversicht geben, dass eine Rezession tatsächlich vermieden werde. Ein baldiges Ende der Zinserhöhungen würde damit aber auch etwas unwahrscheinlicher. Der ifo-Index sei bereits vier Monate in Folge gestiegen und werde am 22.02. erscheinen. Als weiterer Frühindikator sei das GfK-Konsumentenvertrauen in Deutschland zu nennen (24.02.). Und schließlich würden endlich die detaillierten Inflationsdaten für Deutschland erscheinen. Die vorläufigen Daten seien nicht sehr aussagekräftig gewesen, weil die gesamte Zeitreihe revidiert worden sei. Letztere sei aber nicht veröffentlicht worden, sondern nur die Inflationszahl für Januar. Um es kurz zu machen: Gut möglich, dass die in der Folge dieser Veröffentlichung die Inflationsrate für die Eurozone noch revidiert werden müsse. (16.02.2023/alc/a/a)